Kontext, 18. Juli 2014
Sagt Ihnen Sarawak
etwas? Kennen Sie die Penan? Das erste ist ein malaysischer Bundesstaat auf der
Insel Borneo, zweiteres ist ein indigenes Volk in dieser Gegend. In einer
Gegend, die von tropischem Regenwald geprägt ist, oder besser: war. Doch wenn
von Regenwald und Abholzung die Rede ist, wird diese Ecke der Welt gerne einmal
vergessen, dominanter ist meist der Amazonas-Regenwald und der Kampf der
indigenen Völker um ihre angestammten Gebiete. Lukas Straumann jedoch erkundet
in seinem Buch Raubzug auf den Regenwalddas malaysische Sarawak ganz genau, er trifft Indigene, Whisteblower und
Anwälte, und er enthüllt ein Netzwerk von Raffgier und Korruption in der
malaysischen Holzmafia.
Was bei diesem
Buch als erstes auffällt: es ist wunderschön gemacht. Das Papier,
selbstverständlich zu 100 Prozent wiederverwertet, fühlt sich weich und
angenehm an, die Innenseiten der Buchdeckel sind in einem satten Grün gehalten,
das sich später in zahlreichen Bildern aus dem Urwald wiederfindet.
Zitat: Unter den Wäldern der Erde zählt der tropische
Regenwald von Borneo zu den schönsten, ältesten und artenreichsten überhaupt.
[…] Die Kronen der Baumriesen aus der Familie der Flügelfruchtgewächse stehen
so dicht, dass darunter eine permanente Dämmerung herrscht, in der die Stimmen
der Urwaldtiere besonders gut zu hören sind. Die Balzrufe des wilden Pfaus, das
Krächzen des Nashornvogels, der gutturale Ruf von aufgescheuchten Makaken.
Beeindruckend auch
die vielen Fotos. Von historischen Schwarz-Weiß-Bildern der 1951 erstmals
dokumentierten indigenen Völker über aktuelle Portraits der indigenen
Bevölkerung bis hin zu Reportagefotos von Abholzung und Zerstörung. Dazu kommen
detailreiche und gut gemachte Grafiken.
Der Autor Lukas
Straumann ist Geschäftsleiter des Bruno Manser Fonds, der sich seit über 20
Jahren für die Rechte der Indigenen auf Borneo einsetzt. Der Aktivist Bruno
Manser hatte immer wieder öffentlichkeitswirksam auf das Thema aufmerksam
gemacht. Seit seiner letzten Reise nach Sarawak im Jahr 2000 gilt Bruno Manser als
verschollen. Nun hat Lukas Straumann in jahrelanger Recherche die brisanten
Hintergründe der Abholzung der Regenwälder von Borneo zusammengetragen. Im
Zentrum steht der malaysische Proviz-Gouverneur Taib Mahmud, dessen Familie
durch Abholzung und Korruption ein Milliardenvermögen angehäuft haben soll.
Zitat: Taib […] Mahmud ist ein Potentat wie aus dem Lehrbuch.
Das Rot seiner Lippen wirkt wie geschminkt und bildet einen eigenartigen
Kontrast zu seiner fahlen Haut, dem Grau seines Kinnbärtchens und dem Goldrand
seiner übergroßen Brille. An der rechten Hand trägt er einen schweren Ring mit
einem haselnussgroßen gelben Diamanten. […] Wenn Taib durch sein Land fährt,
lässt er sich in einem silbernen Rolls-Royce chauffieren, dessen Nummernschild
die Aufschrift "Der ehrenwerteste Regierungschef von Sarawak" trägt.
Seit wenigen
Monaten steht Taib Mahmud nach 33 Jahren nicht mehr an der Spitze der Provinz.
Doch sein Netzwerk an Immobilien, Firmenbeteiligungen und internationalen
Machenschaften wirkt weiterhin nach.
Malaysia war ab
den 1990er-Jahren der größte Exporteur von Tropenholz und hatte die weltweit
höchste Abholzungsrate, mehr als 19 Millionen Kubikmeter wurden damals pro Jahr
geschlagen. Heute sind es immer noch rund 10 Millionen. Und auch wenn das Land
jetzt mit seiner einzigartigen Natur um Touristen wirbt und tatsächlich einige
Naturschutzgebiete eingerichtet wurden – ein enormer Teil des Urwaldes ist
bereits zerstört. Um sich die aktuelle Situation anzusehen, hat der Autor das
Volk der Penan besucht, bei dem der Fonds-Gründer Bruno Manser sechs Jahre
gelebt hat.
Zitat: Im Schein des Feuers sind die Gesichtszüge von Along
Sega zu erkennen. Der alte Penan-Häuptling wirkt müde und traurig. Ein
bewegtes, anstrengendes Leben hat seine Spuren hinterlassen. Alongs Kopfschmuck
aus den schwarz-weißen Federn des Nashornvogels hängt am Balken, der die Hütte
trägt, sein Ohrschmuck aus Holzrondellen liegt auf einer von seiner Frau Yut
geflochtenen Matte aus Rattan, den Fasern einer wilden Palme. Blasrohr und
Gewehr des gewandten Jägers stehen an der aus rohen Brettern gezimmerten Wand.
Die Penan kennen 1.300
Ausdrücke für Bäume und Waldpflanzen. Sie brauchen den Wald zum Überleben. Doch
seit den 1980er-Jahren müssen sie um ihr Land kämpfen.
Zitat: Im März 1987 kam es zum großen Showdown. […] Mittels
Blockaden von Holzfällerstraßen stoppten 4.700 Menschen aus 26 Penan-Dörfern
und sechs Langhäusern das Vordingen der Holzfäller in den Oberlauf des Baram
und des Limbang. […] Mit Blasrohren bewaffnete Penan stellten sich den
Bulldozern in den Weg, blieben aber stets vollkommen friedlich und gewaltfrei.
In einem dramatischen Appell an die Regierung von Sarawak verlangten sie von
Taib eine Annullierung der Holzkonzessionen
und eine Einstellung der Abholzungen im Landesinneren.
Taib Mahmud setzte
auf Zeit, wartete ab, bis die meisten Indigenen aufgaben, dann ließ er die
Proteste auflösen und die verbliebenen Oppositionellen verhaften. Zahlreiche
weitere Proteste folgten. Große Erfolge gab es nicht.
Wirtschaftlich
veränderte sich das Land rasch: auf den abgeholzten und brachliegenden Flächen
wurden Ölpalmen angebaut.
Zitat: Kommerziell ist der Anbau von Ölpalmen für Malaysias
Volkswirtschaft ein Riesenerfolg, doch für den Regenwald und für Malaysias
indigene Gemeinden bedeutet er ein Desaster. […] Im Vergleich mit dem Regenwald
enthalten die Plantagen weniger als 15 Prozent von dessen Biodiversität und
bieten oft nur wenigen Allerweltsarten einen Lebensraum, während die besonders
stark bedrohten Regenwaldtiere und –pflanzen fast alle verschwinden.
Der Autor malt ein
düsteres Bild: Korruption, unklare Geldflüsse, undurchschaubare internationale
Zusammenhänge. Raubbau und Menschenrechtsverletzungen. Wer gibt wem Geld, und
wohin fließt es? Gibt es Hoffnung für Sarawak? Es gibt zumindest Lichtblicke. Lukas
Straumann beschreibt etwa, wie mithilfe historischer Dokumente und Kartierungen
Besitzansprüche der Indigenen untermauert werden. Der Kampf gegen die Holzmafia
allerdings geht weiter. Und dieses Buch soll aufrütteln, es soll aufmerksam
machen auf ein Geschehen, über das der britische Ex-Premier Gordon Brown im
Jahr 2011 gesagt hat, es sei "das wahrscheinlich größte Umweltverbrechen
unserer Zeit".
Lukas Straumann Raubzug auf den Regenwald - Auf den Spuren
der malaysischen Holzmafia (Salis Verlag Zürich, 2014)